Holocaust-Gedenktag Elias Sumalowitsch, Schüler des Goethe-Gymnasiums, besuchte Auschwitz und sprach mit Überlebenden des Nazi-Terrors

„Fassungslos, geschockt und tief berührt“

Einen Monat ist es her, dass Elias Sumalowitsch aus Auerbach zusammen mit sechzig politisch interessierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus zehn Ländern die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau besucht und dort mit Zeitzeugen gesprochen hat.

Am Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, am 27. Januar, hat er vor dem Eingang des ehemaligen Vernichtungslagers mit etwa 200 Überlebenden und in Anwesenheit der Präsidenten von Polen, Israel, der Ukraine und Deutschland – Andrzej Duda, Reuven Rivlin, Wolodymyr Selenskyj und Frank-Walter Steinmeier – der mehr als 1,3 Millionen ermordeten Holocaust-Opfer in Auschwitz gedacht.

Von Auschwitz (Oswiecim) aus ging es für den 18 Jahre alten Abiturienten als Vertreter des Vereins „Gegen Vergessen für Demokratie Südhessen“ anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers nach Berlin. Dort nahm er mit seiner Gruppe im Plenarsaal des Deutschen Bundestags an der offiziellen Gedenkstunde teil.

Unvorstellbare Verbrechen

Besonders beeindruckt hat den Schüler des Goethe-Gymnasiums neben Ansprachen des israelischen Präsidenten Rivlin und von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble die Rede von Steinmeier. Der Bundespräsident habe ohne Scheuklappen die aktuellen Probleme des Rechtsextremismus in Deutschland und deren Wurzeln angesprochen und darauf verwiesen, dass die Zeit des Nationalsozialismus noch immer nicht komplett aufgearbeitet sei.

Für eine Podiumsdiskussion zwischen den Jugendlichen und den drei Präsidenten sei die anberaumte Zeit „leider viel zu kurz und deshalb oberflächlich“ gewesen, bedauert Elias.

Eine Woche lang hat er im Januar im Rahmen einer Jugendbegegnung des Deutschen Bundestags in Auschwitz und Berlin verbracht. Eine Woche, die ihn verändert und gleichzeitig bestärkt hat, sich „aktiv politisch einzubringen und zu engagieren. Es gibt auch heute wieder viele Tabubrüche, die schon mit der Sprache beginnen und Angst machen.“

Elias Sumalowitsch hat am Ort des Völkermords durch die Nationalsozialisten, in den „Stammlagern 1 und 2“, Gespräche mit polnischen Überlebenden des Genozids führen können und sich in der Gedenkstätte und den teilweise noch erhaltenen Gaskammern einen persönlichen Eindruck über das unvorstellbare Verbrechen in der Mordfabrik gemacht: „Der Boden auf dem wir standen, war ein riesiges Massengrab.“

Fassungslos, geschockt, tief berührt und „extrem beeindruckt“ sei er gewesen, und es habe eine Zeit lang gedauert, Abstand zu gewinnen und das Gehörte und Gesehene zu reflektieren, so der 18-Jährige.

In steter Angst gelebt

Unvergessen bleiben für ihn die Schilderungen von Ludmila (Lidia) Rydzikowska, die erst drei Jahre alt war, als sie zusammen mit ihrer Mutter 1943 ins Lager Birkenau deponiert und in die Kinderbaracke gesteckt wurde. Dort wurde sie durch den SS-Arzt Josef Mengele pseudomedizinischen, menschenverachtenden Experimenten unterzogen und bekam Krankheitserreger gespritzt.

Auch nach ihrer Befreiung durch sowjetische Truppen und der Adoption durch eine polnische Familie – die leibliche Mutter war zuvor auf den Todesmarsch geschickt worden – war für Lidia keine normale Kindheit mehr möglich. Sie habe in steter Angst vor Mengele gelebt und statt mit Puppen „das Lagerleben nachgespielt“, da sie nichts anderes kannte.

Erst sehr spät hat eine weitere Zeitzeugin, Walentyna Ignaszewska, mit ihrer Familie über die Zeit in Auschwitz, über Leid und Demütigung und ihre Arbeit im Straßenbau, in der Brotkammer, der Paketstelle und schließlich in der Rüstungsfabrik sprechen können. Die Tochter der heute über 90-Jährigen, so Elias Sumalowitsch, sei in Auschwitz dabei gewesen habe sehr emotional auf die Geschichte von Leid und Demütigung ihrer Mutter reagiert.

Sichtlich beeindruckt und schockiert zeigte sich der Schüler nach einer Führung durch die Gedenkstätte Auschwitz angesichts von Vandalismus, Kritzeleien („Ich war hier“) und Schmierereien an den Baracken sowie häufig zu beobachtenden Selfies. „Unsere Gruppe hat sich intern ganz bewusst entschieden, in Auschwitz keine Fotos zu machen.“

© Bergsträßer Anzeiger, Freitag, 28.02.2020