Pulse of Europe: Schüler und Studenten legten Bekenntnis zu Europa ab

Gegen eine Kultur der Abschottung

Vor fünf Jahren gaben in Deutschland bei der Wahl des Europäischen Parlaments gerade einmal 48 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Bei den jungen Erwachsenen waren es sogar noch weniger, nämlich magere 35 Prozent.

Die europaweite, parteienunabhängige und überkonfessionelle Bürgerbewegung Pulse of Europe treibt kurz vor der Europawahl am 26. Mai die nicht ganz unberechtigte Sorge um, dass Europaskeptiker und Europa feindlich gesinnte Kräfte alles daran setzten werden, ihre Anhänger zu mobilisieren und damit in Zukunft als starke Gruppe versuchen, „Europa von innen auszuhöhlen. Deshalb ist jede Nichtstimme eine Stimme für die Falschen“, nannte Michael Heuser von Pulse of Europe Bergstraße die Folgen von Desinteresse und Gleichgültigkeit beim Namen.

Gleichzeitig richtete er einen Appell an die Bürger, in zwei Wochen an die Wahlurnen zu gehen und für eine der europafreundlichen Parteien ein klares Zeichen zu setzen, „denn allein Europa gewährleistet uns weiterhin ein Leben in Freiheit und Frieden“. Er betonte aber auch, dass die Europa-Aktivisten den europäischen Gedanken zwar aufrecht erhalten wollen, gleichwohl aber offen gegenüber Abbau von Defiziten und für Modernisierungsbestrebungen sind. Am Lammertsbrunnen in der Fußgängerzone hatten die Aktivisten am Samstagvormittag einen Infostand aufgebaut und dort zum „Europa-Treff“ mit Schülern und Studenten geladen.
Trotz Dauerregens blieben etliche Passanten stehen und hörten zu, was Yara Völker, Schülerin des Goethe-Gymnasiums, Schulsprecher Carsten Meyer, die Initiatorin von Fridays for Future, Julia Dempewolf, und der Student und Ex-Goetheschüler Clemens Limp zu Europa zu sagen hatten.

Das „Goethe“ ist seit dem Jahr 2000 Hessische Europaschule. Den Kontakt zwischen der Bürgerbewegung und den Schülern hatte die Koordinatorin Tina Limp hergestellt.

Vertrauen aufbauen

„Wir müssen reden, diskutieren, an einem Strang ziehen und Vertrauen aufbauen. Wir müssen der Kultur der Abschottung etwas entgegensetzen und schreien, streiken und wenn nötig die Schule schwänzen, bis man uns hört – wenn wir auch noch nicht wählen dürfen“, machte Dempewolf, die Jüngste im Quartett, klar, dass an einem geeinten Europa kein Weg vorbei führt und die Angst vor einem Rechtsruck nicht unbegründet scheint.

Schüleraustausche und Praktika in europäischen Nachbarländern stünden mittlerweile vielen jungen Menschen offen und seien keine Privilegien mehr.

Clemens Limp, der in Deutschland und Frankreich Politologie studiert und nach dem Abitur ein Praktikum in England gemacht hat, nannte sich ebenso wie seine Vorrednerin einen überzeugten Europäer. Es sei wichtig, den Rechtsruck aufzuhalten und etwas dafür zu tun, „dass das Europäische Parlament an Macht gewinnt“. Als langfristiges Ziel nannte er die „Vereinigten Staaten von Europa“.

Wahl als große Chance

Yara Völker hob in ihrem Bekenntnis für Europa die Vorteile des Staatenbundes zum Beispiel bei Reisen zu den Nachbarn und dem Kennenlernen anderer Kulturen hervor und bekannte sich zu ihren Ängsten vor nationalistischen Strömungen. „Die Aktivisten von Pulse of Europa machen uns Hoffnung, dass die EU nicht zerbricht.“ Dass sie selbst am 26. Mai zum ersten Mal wählen darf, bezeichnete sie als große Chance, ein Zeichen zu setzen und zusammen mit all jenen, denen viel an Europa liegt, etwas zu bewegen. Von der Sicherung des Bündnisses „hängt die Zukunft von uns allen ab“.

Schulsprecher Carsten Meyer bekannte sich als Freund von Europa, nannte als mittlerweile selbstverständliche Privilegien von Schülern unter anderem Bildung, freies Reisen und Studienaufenthalte im Ausland, gab aber auch der europakritischen Jugend eine Stimme. Dass es zu Europa keine Alternative gibt, dass es aber sehr wohl der Reformen bedürfe, machte Bürgermeister Rolf Richter deutlich: „Wir brauchen ein starkes Europa.“

Es sei wichtig, für seine Ziele auf die Straße zu gehen, so wie es die Schülerbewegung vormache. Der schweigenden Mehrheit müsse man deshalb klar machen, dass Gleichgültigkeit keine Lösung ist und man sich für seine Überzeugung zu Wort melden und in Sachen Europa zur Wahl gehen muss.

Europa-Hymne abgespielt

Vor dem Abspielen der Europahymne sprachen noch der Vorsitzende der Europaunion im Kreis Bergstraße, Wolfgang Freudenberger, und Slawomir Heller, polnischer Unternehmer aus Darmstadt, der am 26. Mai im polnischen Konsulat seine Stimme pro Europa abgeben wird. Er sprach von zahlreichen Vorteilen für Osteuropa durch die EU. Elmar Ullrich, Mitglied der Pulse of Europe-Bewegung aus Lorsch, trug ein selbst verfasstes Gedicht zu Europa vor.

© Bergsträßer Anzeiger, Montag, 13.05.2019