Entdeckungsreise durch Europa im Bensheimer Goethe-Gymnnasium
Auf der Schiene bedeutet Interrail ein pauschales Zugticket für ganz Europa. Im Goethe-Gymnasium stand Interrail am Freitag für eine ebenso informative wie kulinarische Entdeckungsreise kreuz und quer durch die Europäische Union. Ein Dutzend Destinationen waren vertreten – facettenreich und plastisch präsentiert von den fünften und sechsten Klassen der Schule.
Rund 600 Schüler der Jahrgangsstufen 5 bis 8 waren drei Stunden lang im Westgebäude unterwegs, um sich in den länderspezifisch liebevoll dekorierten Klassenräumen ein Bild von Land und Leuten zu machen. Mit einem EU-„Reisepass“ als Orientierungshilfe, den man sich vor Ort abstempeln lassen konnte, reisten die Jugendlichen durch die Vielfalt des Kontinents.
Seit 23 Jahren Europaschule
Der Aktionstag wurde im Rahmen der Europawoche organisiert, federführend koordiniert von Martina Limp (Leitung des Schulschwerpunkts Europa) und ihrem Europa-Team Ulrike Heitkämper, Florian Schreiber und Ulrike Oberle.
Seit 23 Jahren setzt sich das Gymnasium als Hessische Europaschule für die Vermittlung der Werte Europas, für interkulturelles Lernen und die Qualität schulischer Bildung ein. Die Zertifizierung erfolgt im fünfjährigen Rhythmus und wurde zuletzt im Jahr 2020 verlängert.
Von Tschechien nach Spanien
Bei der Klasse 5a stand alles unter dem Motto Tschechien. Ein ganz junges Bläserensemble unter der Leitung von Michael Meyer-Limp spielte das Volkslied „Ej, lásko, lásko“ über die Flüchtigkeit der Liebe, während man selbstgebackene Buchteln genoss. Die leckeren süßen Hefebrötchen werden auch Rohrnudeln genannt und waren im Klassensaal in vielen feinen Variationen vertreten. Man erfuhr von den prominenten Söhnen des Landes (Kafka, Smetana und Ivan Lendl) und machte ein obligatorisches Selfie vor der Prager Burg aus Legosteinen, bevor man nach wenigen Metern schon in Spanien landete. Die benachbarte Seebergschule inszenierte iberisches Feuer in allen Facetten, und eine Ecke weiter schlenderten Besucher genussreich durch Paris und die umliegenden Provinzen.
Die EU-Mutter Frankreich lockte Gäste mit aromatischen Crêpes und zelebrierte das Motto „Liberté, Egalité, Fraternité“ und natürlich auch „Sororité“, denn auch die „Schwesternschaft“ darf bei so viel nationaler Heterogenität nicht fehlen. Denn auch die Frauen spielten bei der Revolution eine wichtige Rolle. Einige tausend zogen im Oktober 1789 sogar nach Versailles, um ihren Forderungen Gehör zu verleihen.
In Italien fanden zeitgleich antike Schwertkämpfe statt. Das Spektrum reichte vom genialen da Vinci bis zum faschistischen Mussolini, vom schnellen Ferrari bis zum feinnervigen Stradivari. Ob Auto- oder Geigenbaumeister: das Land ist reich an hochklassigen Erzeugnissen auch der kulinarischen Art.
Stalaktiten aus Fruchtgummi
Doch auch in Slowenien futterte man sich durch ein aromatisches Sortiment an süßen Grizike – eine Art aufgespießter Minikuchen – und anderen Leckereien. Da das Land als Heimat vieler Grotten und Tropfsteinhöhlen gilt, hatte die Klasse 6a aus Tischen, Stühlen und Decken einen dunklen Höhlengang gebaut, in dem man neben Fledermäusen auch schmackhaften Fruchtgummi-Stalaktiten begegnete, die zum Reinbeißen von der Decke hingen.
Die Niederlande hatte – wie konnte es anders sein – eine Käsetheke aufgebaut, in Belgien gab es die gleichnamigen Waffeln, in Schweden sang man Pippi-Langstrumpf-Lieder, und in Kroatien konnte man die einzelnen Komponenten der Nationalflagge auseinanderdividieren.
Überall gab es reichlich Infos über Geografie, Kultur, Politik und Landesgeschichte, ausgarniert mit kurzweiligen Aktionen und gar nicht so einfachen Quizfragen. Ein Tag, an dem man Europa ganz nah auf die Pelle rücken konnte. Die EU als Mitmachzirkus. So macht politische Partizipation besonders Spaß.
Thomas Tritsch Freier Autor, Bergsträsser Anzeiger