Zeugnisse für 115 Abiturienten des Bensheimer Goethe-Gymnasiums
„Bleiben Sie hartnäckig, gehen Sie demonstrieren und zeigen Sie unserer Generation, was in Ihnen steckt. Diskutieren Sie intensiv und streiten Sie“, appellierte Schulleiter Christian Peter auf der Abschlussfeier des Goethe-Gymnasiums an alle Abiturientinnen und Abiturienten und rief dazu auf, sich weiterhin vehement gegen Rechtsextremismus einzusetzen und Zivilcourage zu zeigen. „Bleiben Sie ihrer Linie treu und zeigen Sie klare Haltung für Diversität und Klimaschutz. Trauen Sie sich, Ihren Weg zu gehen und vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl,“ sprach er den Absolventen Mut zu.
In seiner ersten Rede als Schulleiter bei einer Abiturientenfeier dankte Peter seinen beiden „erfahrenen Vorgängern und wertvollen Mentoren“ Klaus Holl und Jürgen Mescher, Kollegium, Sekretariat und Förderverein, vor allem aber dem Abiturjahrgang und den Eltern. „Sie haben es gemeinsam geschafft und den höchsten schulischen Abschluss erreicht. Sie können stolz sein.“ Die Herausforderungen an die Schülerinnen und Schüler, aber auch an die Lehrer während der Pandemie seien immens gewesen, aber man habe sich schnell „darauf eingerichtet und meistens gute Lösungen gefunden“.
Chat GPT getestet
Immer wieder machte Christian Peter bei der akademischen Feier im Bürgerhaus deutlich, dass es gerade heute notwendig und unerlässlich sei, gegen die „furchterregende, rechtsextreme Entwicklung und für Frieden und Demokratie einzustehen“. Dass Antidemokraten von Protestwählern aus Unzufriedenheit gewählt werden, nannte er „absolut unverständlich. Das ist auch ein Bildungsproblem.“
Neben einer Reihe von ernsten Worten und Gedanken hatte der Schulleiter auch eine dicke Überraschung parat. Für seine Premieren-Ansprache hatte er sich der Künstlichen Intelligenz bedient, Chat GPT getestet, nach passenden Themen befragt und mehr oder weniger allgemeine Antworten zu Flüchtlingen, Klimawandel, Fridays for Future-Bewegung und Pandemie erhalten. Sein Fazit: KI kann echte Fakten und persönliche Erfahrungen nicht ersetzen.
Und davon berichtete Christian Peter im Anschluss: So hob er beispielsweise das Engagement vieler Schüler nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine hervor, das sich in der Unterstützung von Geflüchteten, der Organisation von Hilfsgütern und der Aufnahme von Kindern geflüchteter Familie am Goethe-Gymnasium zeige. Mit Blick auf seine eigene Gymnasialzeit rief er den Super-GAU im Kernkraftwerk Tschernobyl, später die Bedrohung durch Atomwaffen, Mauerfall, den Zerfall der Sowjetunion und in den Neunzigern dann Kriege in Europa ins Gedächtnis. „Ich hatte in der Oberstufe den Eindruck, die Welt spinnt. Trotzdem bin ich optimistisch geblieben und habe nach vorne geblickt.“
"Es gehört viel Mut dazu, in dieser Welt nicht missmutig zu werden"
Mit einem Spruch von Pfarrer Markus Keller aus dem vorausgegangenen Gottesdienst – „Überlegen Sie, was sie mit Ihren Kompetenzen tun, um damit andere glücklich zu machen“ – und einem Goethe-Zitat „Es gehört viel Mut dazu, in dieser Welt nicht missmutig zu werden“ – schloss der Schulleiter seine Rede und überließ das Mikrofon den Elternvertreterinnen Maren Mikolon und Ursula Stroth, die keinen Zweifel daran ließen, „dass wir sehr stolz sind. Wir finden Euch einfach grandios“. Das Kompliment galt – ganz klar – den Abiturientinnen und Abiturienten.
Auch die beiden Mütter sprachen der Jugend Mut zu, sich von Irrwegen, vom Scheitern und von Verlusten nicht bange machen zu lassen. Das alles gehöre zum Leben wie das Risiko, dass etwas nicht so klappt, wie es gewollt war: „Lernt daraus. Es braucht Entscheidungen und Initiativen und es braucht Verantwortung, das Leben in die Hand zu nehmen – und ein Quäntchen Glück und Fügung.“
Dass die Einschränkungen während der Pandemie durchaus Positives bewirkt hätten, machten sie an Beispielen wie Kreativität, Selbstorganisation, Solidarität und Kontaktpflege ohne Präsenz deutlich. Die Lehrer seien ebenfalls gefordert gewesen, neue Techniken zu lernen und zu lehren und mutige Wege zu gehen. Mikolon und Stroth sagten Schulleitung und Kollegium Danke für die gute Kommunikation und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe, für das Fördern individueller Fähigkeiten ihrer Kinder und die Stärkung des Gemeinschaftssinns.
"Spannende Reise am Goethe-Gymnasium mit einigen Mysterien"
Als eine „Schule, in der Toleranz und ein demokratisches Grundverständnis gelehrt wird“, bezeichnete Tutorin Janika Sonntag „das Goethe“. Vor allem Zwischenmenschliches wie die Stolperstein-Verlegung, Kursfahrten, Theateraufführungen, die grandiose Schülerband, aber auch gemeinsames Plätzchenbacken, Bratwurstessen in Erfurt, Gipfel-Bier auf der Zugspitze und Erste-Hilfe-Einsätze während eines Berlin-Besuchs blieben in Erinnerung.
Janika Sonntag nannte die Schule einen „Ort, der Mut macht, in einem geschützten Raum aus gemachten Fehlern zu lernen und sich auszuprobieren“. Unter dem Beifall der Abiturientinnen und Abiturienten und deren Eltern rief sie die neue Generation dazu auf, die Zukunft mutig, selbstbewusst und solidarisch zu gestalten.
Die kleinen und großen Pannen während ihrer Schulzeit, die liebenswerten bis skurrilen Marotten einzelner Lehrer – ohne Namensnennung – machten die Abiturientinnen Emma Groß und Nina Oeter zum Thema ihrer „spannenden Reise am Goethe-Gymnasium mit einigen Mysterien“. Es folgte eine ausgiebige Dankesadresse an alle, die sie auf dem Weg bis zum Abitur begleitet haben, angefangen vom Kiosk-Team bis zu Mitschülern und Familien.
Musikalische Ausrufezeichen setzten das Goethe-Orchester mit der Musik des Komponisten Ramin Djawadi aus „Game of Thrones“ und Jannik Mikolon und Lara Freisens mit dem Ed Sheeran-Song „Afterglow“.